LIEBES*KONZIL

Eine Himmelstragödie
Frei nach Oskar Panizza: Das Liebeskonzil, 1893/94. Uraufführung 1967, Wien.

Das Wort lernt zu tanzen, der Körper wird literarisch. In einer Symbiose von Tanz- und Sprechtheater, Musik und in einer spezifischen Raumsituation setzt Tanz*Hotel das Liebes*Konzil in Szene. ”Am Abend des letzten Oktober 1501 veranstaltete Cesare Borgia in seinem Gemach im Vatikan ein Gelage mit 50 ehrbaren Dirnen, Kurtisanen genannt, die nach dem Mahl mit den Dienern und anderen Anwesenden tanzten, zuerst in ihren Kleidern, dann nackt. Nach dem Mahl wurden die Tischleuchter mit den brennenden Kerzen auf den Boden gestellt und rings herum Kastanien gestreut, die die nackten Dirnen auf Händen und Füßen zwischen den Leuchtern durchkriechend aufsammelten, wobei der Papst, Cesare und seine Schwester Lucretia zuschauten. Schließlich wurden Preise ausgesetzt, seidene Überröcke, Schuhe, Barette u.a. für die, welche mit den Dirnen am öftesten den Akt vollziehen könnten. Das Schauspiel fand hier im Saal öffentlich statt, und nach dem Urteil der Anwesenden wurden an die Sieger die Preise verteilt.”
Hofnachrichten aus dem Tagebuch des Johannes Burcadus, päpstlichen Zeremonienmeisters bei Alexander VI. Borgia

Premiere:  8. September 2000, WUK Theater Wien | Aufführungen: 9. und 10. September, 13. bis 19. September 2000. 

 Was für die Kirche der Körper, ist für den Staat die Kunst
Als Oskar Panizza, Arzt und Schriftsteller der "Münchner Moderne",  1893/94 das "Liebeskonzil" ersann und Gott Vater mitsamt seinem Himmelsgefolge menschliche Züge verlieh, hoffte er insgeheim, dass sich gewisse Leute an seinem Stück stoßen würden. Dass man es konfiszieren und ihn selbst wegen Vergehens wider die Religion ins Gefängnis werfen könnte, lag jedoch fern seiner Vorstellungen. So kam es aber.

 "Ein Stückchen Wollust muß man ihnen gönnen." *
Im Himmel wird konziliert über die  ausschweifende  körperliche Liebe  und die Möglichkeiten, sie in ihre Schranken zu weisen. Der Teufel, ein Handlanger Gottes, wird beauftragt, ein geeignetes  Mittel zu  finden, die Menschen  zu  bestrafen. Einzige Bedingung: ihre Erlösungsfähigkeit soll erhalten bleiben. Als Gegenleistung erhält dieser eine neue Stiege,  da die alte - seit  jeher direkte Verbindung zwischen oben und unten - schon ein wenig abgenutzt ist.
* Maria zu Gott Vater, in: Oskar Panizza: Das Liebeskonzil. S. 51.
Das Liebeskonzil , frei nach Oskar Panizza:  1893/94. Uraufführung 1967, Wien.

Presse
"Die Himmelstragödie tanzt. Auf einer offenen Raumbühne situierte Gstettner in plastischen Akzenten die direkte Verbindung zwischen Himmel und Erde und dem Teufel als Berater der Himmelsmächte. In feingesponnenen Geweben gewannen Begriffe wie Gesellschaft, Politik, Moral und Sinnlichkeit ihre tänzerische Struktur, die humorvoll mit sprachlichen Widerhaken dekoriert wurde. Gstettner als visueller Poet und Sinnsucher legte exemplarisch die unterschiedlichsten Ebenen der Kommunikation dar: Kritik am Obrigkeitsglauben, die Thematisierung von gesellschaftlichen Befindlichkeiten, gemischt mit einem Plädoyer für die Befreiung des Menschen aus seinem durch den Zeitgeist aufgezwungenen Korsett.“
DIE PRESSE, Irene Stelzmüller, 11. September 2000

 "Tanz*Hotel im WUK. Gstettner versteht es, in seinem „Liebes*Konzil“ Panizzas sarkastische Worttiraden effektvoll in Bilder umzusetzen: „Der Alte“ schleppt sich im goldenen Slip und mit übertriebener Lethargie durch die Inszenierung, die Engel umschwirren ihn als halbnackte Sirenen, der Teufel zeigt als Businessman Klasse. Höhepunkt des schrillen Stückes ist eine Tanzorgie des Papstes, die an Visionen eines Hieronymus Bosch erinnert. Zur Musik von Robert Spour werden Lust und Völlerei in Tanzschritten auf mehreren Ebenen gefeiert. Daraufhin holen Gott und Teufel gemeinsam zum Schlag gegen die Sünden des Menschen aus: Sie schicken die Geschlechtskrankheiten als Geisel. (...) Gstettners Produktion für sein Tanz*Hotel ist perfekt gearbeitet: Sie wirkt sehr knapp, konzentriert, bildhaft und reich an Anspielungen und Assoziationen. Das Ensemble enttäuschte sein Publikum auch diesmal nicht.“
NEUE KRONENZEITUNG, Oliver Werner,11. September 2000

 "Liebe im Labor. Regisseur Bert Gstettner ist für seinen Sarkasmus und Körperwitz bekannt. Er setzt das Liebeskonzil in einer Symbiose von Tanz und Sprechtheater in Szene und hat dafür ein sehens- und hörenswertes Team um sich geschart. (...) Das Stück ist voll von brisanten-amüsanten Monologen und Dialogen.“
DER STANDARD, Ursula Kneiss,14. September 2000

 "Aktuell im Aids-Zeitalter. Geschickt weiß Gstettner die Vielschichtigkeit von Panizzas Sprache auszuloten, die abwechselnd pathetisch oder gebetsmühlenhaft sein kann und sich bis zum Gesang steigert. (...) Bis heute bleibt Panizzas Stück mit seiner Kritik an der Verlogenheit, die selbst vor der Geistlichkeit nicht halt macht, durchaus provokant und im Hinblick auf das Leben mit Aids aktuell.“
SALZBURGER NACHRICHTEN, Silvia Kargl, 11. September 2000

 

Team
 Regie/Choreographie   Bert Gstettner
Schauspiel & Tanz   Werner Bechter, Zdeno Dlhos, Hannes Flaschberger, Miguel Angel Gaspar, 
Tanja Pastonjicki, Alexander Strauß, Alexandra Sommerfeld, Julia Todd, Daniela Weber
Bühne/Raum   Gernot Sommerfeld     Komposition   Robert Spour    
Kostüm  Reneé Diamant    Licht  Klaus Greif    Fotographie   Otto Jekel     
Textdramaturgie   Alexandra Sommerfeld   Recherchen Bert Gstettner, Tamara Schwarzmayr 
Produktion Tanz*Hotel / Art*Act Kunstverein


Alle Fotos: Otto Jekel